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Um die möglichen Gesundheitsrisiken von 5G ranken sich viele Spekulationen. In einem realen 5G-Testfeld wurde nun erstmals gemessen, wie sich die neue Mobilfunktechnologie auf die Gehirnaktivität auswirken kann. Gegenüber 4G nimmt die Stressbelastung weiter zu und die Strahlung dringt in tieferliegende Schichten des Gehirns ein – auch ohne das 5G-Funknetz selbst aktiv zu nutzen. Der blosse Aufenthalt in der 5G-Zone genügt, um bei Elektrosensiblen solche Effekte zu messen. Im Interview erläutert die Kognitions- und Neurowissenschaftlerin Dr. Diana Henz* die Ergebnisse.

Frau Dr. Henz, in einem wissenschaftlichen Experiment haben Sie erstmals gemessen, wie 5G-Strahlung sich auf das Gehirn auswirken kann. Wie kam dieser Feldversuch zustande?

Dr. Diana Henz: Mobilfunknetzbetreiber aktivierten bereits 2019 die ersten 5G-Testnetze in Deutschland. Mittlerweile wird die neue Mobilfunktechnik in mehreren Städten erprobt, u. a. in Berlin, Hamburg und Darmstadt. Dazu wurden reale 5G-Testfelder gestartet. Mit dem Ziel, eine Entstörungstechnologie für 5G zu entwickeln, führte die Firma Gabriel-Tech GmbH an einigen Standorten erste Vormessungen der elektromagnetischen Felder durch – auf eigene Initiative. Im Gegensatz zu 4G waren demnach bei 5G u. a. sehr starke Schwankungen in der Hochfrequenz festzustellen.

Was bedeutet das konkret?

Dr. Diana Henz: Bei der Übertragung von Informationen mittels Mobilfunk entstehen hochfrequente elektromagnetische Felder. Spitzenwerte in der Hochfrequenz sind bei 4G gelegentlich vorzufinden, d. h. wenn eine erhöhte Kapazität abgerufen wird. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn mit einem oder mehreren Mobilfunkgeräten gleichzeitig telefoniert wird. In einem Messzeitraum von zwei Minuten kann es dann ungefähr alle 15 bis 50 Sekunden zu einem Peak kommen, in Ausnahmefällen auch in kleineren Zeitintervallen. Aufgrund des viel höheren Datenvolumens ist es notwendig, die Kapazität bei 5G insgesamt deutlich hochzufahren. Stellen Sie sich ein Gebäude mit X Wohneinheiten vor – der eine Bewohner nutzt digitales Fernsehen, der andere arbeitet im digitalen Home-Office und nutzt das «Internet of Things» (IoT), der nächste telefoniert mit dem Smartphone, während am Laptop ein umfangreicher Download läuft. Machen das viele Nutzer gleichzeitig, wirkt sich das zwangsläufig u. a. auf die Hochfrequenz aus. So lassen sich diese starken Schwankungen bei 5G erklären. Treten hochfrequente elektromagnetische Felder vermehrt auf, können insbesondere elektrosensible Menschen körperliche Beschwerden entwickeln – von plötzlichem Herzrasen bis Atemnot. Auf Initiative der Stiftung für Gesundheit und Umwelt ist daraus die Idee entstanden, die Auswirkungen von 5G auf die Gehirnaktivität zu messen.

Wie und wo haben Sie diese Idee in die Tat umgesetzt?

Dr. Diana Henz: Um erste Erkenntnisse zu gewinnen, haben wir uns für ein wissenschaftliches Experiment mit elektrosensiblen Probanden entschieden – einen Feldversuch im 5G-Testfeld in Darmstadt. Dabei kam ein mobiles «high-density Elektroenzephalogramm (EEG)» mit 128 Elektroden zum Einsatz. Es zeichnet die Daten direkt an der Kopfoberfläche der Testpersonen auf. Uns war von vornherein klar, dass weitere Messungen bei gesunden Probanden folgen müssen. Am Beispiel von Elektrosensiblen wollten wir zunächst modellhaft aufzeigen, was bei 5G-Exposition im Gehirn schlimmstenfalls passieren kann. Sehr aufschlussreich war, dass wir einen direkten Vergleich ziehen konnten mit 4G. Das 5G-Testfeld war mit einer Linie klar eingegrenzt und so wechselten wir zwischen diesen beiden Zonen hin und her.

Wie ist dieser Feldversuch abgelaufen?

Dr. Diana Henz: Das wissenschaftliche 5G-Experiment fand an zwei Tagen statt. Gemeinsam mit den Probanden fuhren wir jeweils mit dem vollbesetzten Auto von Mainz nach Darmstadt. So konnten wir bereits während der Fahrt die Gehirnaktivität unter 4G-Bedingungen messen, bevor wir dann in das 5G-Testfeld gefahren sind. An beiden Tagen haben wir unter verschiedenen Bedingungen gemessen – sowohl im Fahrzeug, als auch im Freien. Teil des Experiments waren 5G-Anrufe mit dem Samsung Galaxy S10 5G sowie die Nutzung des 5G-Funknetzes für Online-Aktivitäten. Am ersten Tag waren wir mit einem nichtentstörten Auto unterwegs und die Probanden nutzten auch ein nichtentstörtes Mobilfunkgerät. Am zweiten Tag haben wir dann die Wirksamkeit einer wissenschaftlich anerkannten Entstörungs-Technologie überprüft. Neben einem mit der Gabriel-Technologie entstörten Fahrzeug kam beim Smartphone der neu entwickelte Gabriel-Chip 5G zum Einsatz.

Welche Effekte auf das Gehirn konnten Sie in dem 5G-Testfeld messen? Wie gross sind die Unterschiede gegenüber dem angrenzenden 4G-Gebiet ausgefallen?

Dr. Diana Henz: Vor dem Experiment habe ich nicht mit nennenswerten Unterschieden zwischen 4G und 5G im EEG gerechnet. Diese Annahme bestätigte sich leider nicht. Wir waren überrascht, wie stark die 5G-Strahlung auf den Organismus aller Fahrzeuginsassen einwirkte: Der Fahrer und eine Begleitperson hatten bereits nach 10 Minuten Aufenthalt in der 5G-Zone Kopfschmerzen, bei mir stellten sich starke Magenschmerzen ein und einer der beiden Probanden reagierte mit starkem Durchfall unmittelbar nach dem Experiment. Wir fühlten uns körperlich angeschlagen, die Symptome klangen erst mehrere Stunden nach dem Experiment ab. Bei den elektrosensiblen Testpersonen haben wir mit dem EEG eine sehr starke allgemeine Stressaktivierung in den temporalen und okzipitalen Arealen des Gehirns festgestellt. Darüber hinaus konnten wir sehen, dass die 5G-Strahlung sehr tief in das Gehirn eindringt und auch das limbische System erreicht. Das kann z. B. hormonelle Regelkreisläufe und Neurotransmittersysteme beeinflussen. Die Effekte waren deutlich stärker, als bei den Vergleichsmessungen in der 4G-Zone. Wir sind noch zu einer weiteren Erkenntnis gekommen, die wegweisend sein dürfte: Diese tieferliegenden Schichten wurden auch ohne Handy-Telefonate und Online-Aktivitäten aktiviert – es genügte der blosse Aufenthalt in dem 5G-Testfeld.

Inwiefern konnten diese Effekte mit der Entstörungs-Technologie reduziert werden? Wie hat sich das subjektive Befinden am zweiten Tag verändert?

Dr. Diana Henz: Die körperlichen Symptome verschwanden über Nacht und so machten wir uns am Tag 2 erneut auf den Weg nach Darmstadt – in einem entstörten Auto und mit einem entstörten Smartphone. Im Modellversuch kam es bei Anwendung der Gabriel-Technologie zu einer Reduktion der Stressaktivierung. Dennoch konnten weiterhin beträchtliche Effekte gemessen werden, vor allem im frontalen Stirnbereich. Während der zweistündigen Fahrt durch das 5G-Testfeld war das körperliche Empfinden besser als am Vortag. Es war allerdings auch messbar, dass die starken Einflüsse durch 5G trotz Entstörung teilweise von aussen in das Fahrzeug durchdrangen. 5G ist auf allen Ebenen eine Riesen-Herausforderung mit einem grossen Forschungs- und Optimierungspotenzial. Das geht auch mit einem hohen Anspruch an die Messtechnik einher.

Worin liegt diese Herausforderung und was bedeutet das für die weitere Forschung?

Dr. Diana Henz: 5G ist eine neue Mobilfunktechnologie, die flächendeckend ausgebaut werden soll. Da stellt sich die Frage, wo man mit den Messungen ansetzen soll. Im Moment ist z. B. noch nicht wissenschaftlich gesichert, welchen Einfluss die einzelnen Signalbestandteile von 5G auf den Körper haben und ob es Wechselwirkungen gibt. Wir müssen uns deshalb in Zukunft mit den unterschiedlichen Bestandteilen des 5G-Signals fundiert auseinandersetzen, so z. B. auch mit den elektromagnetischen Wellen im Millimeterbereich. In unserem wissenschaftlichen Experiment haben wir uns fürs Erste ausschliesslich mit der Hochfrequenz beschäftigt, weil das u. a. aufgrund der Vormessungen augenscheinlich war. Es sind breit angelegte Langzeitversuche notwendig, bei denen auch in Innenräumen gemessen wird. So wird mit dem «Internet of Things» (IoT) ein neues Zeitalter anbrechen, was sich auf die Belastung durch elektromagnetische Strahlung am Arbeitsplatz und im Wohnraum auswirkt. Das betrifft auch die Weiterentwicklung der Entstörungs-Technologie.

Dieses 5G-Experiment hat am 15. Internationalen Bodenseekongress der Stiftung für Gesundheit und Umwelt für grosse Beachtung gesorgt. Wie fliessen die Erkenntnisse darüber hinaus in den wissenschaftlichen Diskurs ein?

Dr. Diana Henz: Die Ergebnisse dieses Feldversuchs habe ich auch an der 60. Jahrestagung der Society for Psychophysiological Research (SPR) präsentiert, die vom 7. bis 11. Oktober 2020 in Vancouver/Kanada stattgefunden hat. Mit mehreren tausend Besuchern zählt diese Jahrestagung zu den weltweit grössten und renommiertesten internationalen Kongressen auf diesen Gebieten. Sämtliche Kongressbeiträge werden in einem Sonderband der internationalen Fachzeitschrift Psychophysiology (impact factor 3.118) wissenschaftlich publiziert und damit in sämtlichen medizinischen und wissenschaftlichen Rechercheportalen (PubMed, Web of Science, Scopus etc.) gelistet, so auch die beiden Pilotstudien des 5G-Experiments.

Autofahrt durch 5G-Zone – mit und ohne Entstörung

Vergleich EEG-Aktivierungen im Gehirn: Autofahrt mit elektrosensiblen Probanden durch die 5G-Zone – mit und ohne Entstörung (Gabriel-Technologie).

4G- und 5G-Exposition bei elektrosensiblen Probanden während der Autofahrt

Vergleich EEG-Aktivierungen im Gehirn: 4G- und 5G-Exposition bei elektrosensiblen Probanden während der Autofahrt.

* Dr. Diana Henz erforscht am Institut für Sportwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz die Wirkung von elektromagnetischer Strahlung auf den menschlichen Organismus.

Pilotstudie «5G-Chip»: Henz, D. Shielding chips reduce effects of electromagnetic radiation in the 5G range on EEG brain activity in electrohypersensitive subjects. Psychophysiology, S53.

Pilotstudie «Vergleich von 4G und 5G»: Henz, D.. Effects of electromagnetic radiation in the 5G range on EEG brain activity in electrohypersensitive subjects. Psychophysiology, S53.

Dr. Diana Henz

Interview: Jürgen Kupferschmid**
Fotos: © AdobeStock – myCreative, SfGU, Johannes Gutenberg-Universität Mainz

** Jürgen Kupferschmid, Chefredakteur des Magazins „Meine Gesundheit“ sowie des Gesundheitsportals salusmed.ch, Leiter Öffentlichkeitsarbeit bei der Stiftung für Gesundheit und Umwelt (SfGU)